MÜNCHEN. Tag für Tag landen sage und schreibe 190.000 Einwegbecher in Münchner Abfalleimern, die gestapelt ein Vielfaches höher wären als der Olympiaturm. In jeder einzelnen Stunde produzieren die Münchnerinnen und Münchner Plastikmüll, mit dem man den Hohlraum der Bavaria komplett füllen könnte. Wie lässt sich eine solche Plastikflut eindämmen, die global gesehen zu einer Vermüllung des Planeten führt? Beim Feierabendgespräch „Plastikfreier leben“ sprachen wir in der Evangelischen Stadtakademie mit der Gastro-Visionärin Katrin Wesche-Kolo und mit Charlotte Lachmann von Zero Waste München.
Die Revolution der Gastronomie beginnt im Kleinen. Kartin Wesche-Kolo, ursprünglich aus der Hotellerie kommend, gründete zwei Pop-Up-Cafés namens „Charlie & Lars“ mit ausschließlich regionalen und saisonalen Speisen in Bioqualität. Die Cafés waren ihr Testfeld nicht nur für gute Küche, sondern auch für gutes Abfallmanagement. Den Verpackungsmüll und die Lebensmittelabfälle reduzierte Wesche-Kolo mit ihrem Team auf nahe Null.
Good Kitchen Loop – In Kreisläufen denken
In einem zweiten Schritt sucht die Unternehmerin nun größere Hebel für ihr klimafreundliches Konzept. Aus Charlie & Lars ist eine Gastroberatung geworden. Ihr „Good Kitchen Loop“ hat einen Wettbewerb der Stadt München zur Reduzierung von Abfällen in der Gastronomie gewonnen und soll ab Herbst in Großkantinen im Stadtgebiet realisiert werden. „Loop bedeutet, dass wir im Wertschöpfungskreislauf denken“, sagte Wesche-Kolo. Dazu gehöre auch, sich anzupassen an das, was die Natur zu bestimmten Zeitpunkten liefere. So habe es in ihrem Café mal eine Woche lang Gerichte mit Pastinaken gegeben, da die gerade in großen Mengen kamen. Damit müsse man in der Küche etwas Kreatives machen. „Dann werden auch Pastinaken geil.“ Es gehe darum zu zeigen, wie genussvoll nachhaltiges Essen sein kann.
Die zweite Gesprächspartnerin des Abends, Charlotte Lachmann, organisiert eine Bewegung, deren Vision schon im Namen steht: Zero Waste München. Die Politologin, die für den gemeinützigen Verein rehab republic arbeitet, sieht ihren Auftrag darin, „die Menschen ins Tun zu bringen“. Zero Waste sei eine Einladung an alle Münchnerinnen und Münchner zu einem „Zero Hero“ zu werden. Lachmann schilderte Mitmach-Events wie Müllsammelaktionen, das anstehende Zero Waste Festival (13. Juli, Kreativquartier Leonrodplatz) oder die Müllfrei-Meile. Sie wolle Menschen in ihrem privaten Raum dazu bewegen, wirklich etwas zu verändern. Das darf auch Spaß machen. So gab es mal eine Wertstoffinselparty, bei der Zero-Waste-Aktivisten jeden bejubelten, der seinen Müll dort in die Container sortierte.
Wird München „Zero Waste City“?
Lachmann geht es allerdings nicht nur um kleinräumige Aktionen. Sie will, dass München als Ganzes „Zero Waste City“ wird. Der Stadtrat hat 2020 den Beschluss gefasst, genau dieses Ziel anzugehen und sich von Zero Waste Europe entsprechend zertifizieren zu lassen. „Zero“ meint dabei nicht wirklich „null“ Abfälle, aber gibt die Richtung vor. So solle die Recyclingquote der Münchner Haushalte bis 2035 auf 60 Prozent steigen; 50 Prozent seien erreicht.
In der weiteren Diskussion wurden viele Ansätze diskutiert, die zu einem müllfreieren und ressourcenschonenderen Leben führen können: Plastikverbote und Plastiksteuern, die Förderung lokaler Unverpackt-Läden ebenso wie internationale Abkommen zur Reduktion der globalen Kunstoffproduktion oder der Einsatz alternativer, biologisch abbaubarer Kunststoffe. Eine wesentliche Botschaft des Abends, die von allen geteilt wurde: Das plastikfreie Leben dürfe nicht in erster Linie als mühsam und restriktiv wahrgenommen werden, sondern als genussvoll und entschleunigend: “ Mehr Yeah statt Buh“! So mündete das Feierabendgespräch dann auch in einem anregenden Miteinander bei einem leckeren Imbiss des UFG Unverpackt-Cafés aus Unterföhring.
Reihe „Work & Life“ von Stadtakademie und kda
Der Abend war Teil der „Work & Life“-Reihe, die der kda Bayern gemeinsam mit der Evangelischen Stadtakademie München veranstaltet. In dieser Reihe von Feierabendgesprächen stellen wir Persönlichkeiten vor, die in der Münchner Wirtschaft, Arbeitswelt und Stadtgesellschaft Spannendes bewegen.
Auf dem Bild v.l.n.r.: Katrin Wesche-Kolo (Charlie & Lars), Philip Büttner (kda München) und Charlotte Lachmann (Zero Waste München) / Foto: kda
Autor & Bildnachweis: kda